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Gruselgeschichten von Dol Morgul

von Anonym

Des Nachts im Schloss ~ Gruselgeschichten von Dol Morgul


Der Spiegel

Nachts umherzustreifen ist sehr gefährlich... Schüler verschwinden, tauchen – wenn überhaupt – erst nach langer Zeit wieder auf, völlig verstört, ohne jegliche Erinnerung. .. Jedenfalls war dies der Fall vor einigen Jahrzehnten. Einer der Lehrer hatte von einer Weltreise einen grossen, wunderschön verzierten Spiegel mitgebracht. Der Rahmen war aus purem Silber, kleine Schnörkel rankten sich wie Efeu um die polierte Glasfläche.
Viele Schüler bewunderten den Spiegel den ganzen Tag lang, konnten sich kaum von ihrem eigenen Anblick losreissen, der im diesem einen Spiegel viel schöner zu sein schien als in jedem anderen, den sie zuvor gesehen hatten. Manche vergassen dabei, zum Unterricht zu gehen oder gar zu schlafen, woraufhin der Lehrer entschied, den Spiegel wegzuschliessen.
Die Schüler verbannten das Stück bald aus ihren Gedanken, konzentrierten sich wieder auf ihren Alltag. Nur eine Schülerin brachte ihn nicht aus ihrem Kopf. All ihre Gedanken, ihre Wünsche, ihre Träume, sie konnte nur noch an den Spiegel denken, ihr eigenes Gesicht, das auf der kalten Fläche prangte. Und so machte sie sich auf die Suche, Nacht für Nacht schlich sie sich aus dem Bett, stolperte durch die Gänge, auf der Suche nach dem Objekt ihrer Begierde.
Es kam, wie es kommen musste, und sie fand den geheimen Raum, in dem der Spiegel verborgen war. Im Mondenschein setzte sie sich davor zu Boden, gierig danach, sich zu sehen, zu betrachten, sich an ihrem Anblick zu laben. Völlig versunken blieb sie sitzen, rührte sich keinen Millimeter weg, Tag für Tag.
Als die Lehrer die Abwesenheit der Schülerin bemerkten, suchte man nach ihr. ...man fand sie. Ein Lehrer berührte ihre Schulter. Sie reagierte nicht. Bewegte sich nicht. Mit Gewalt musste man sie von dem Spiegel wegzerren, sie umdrehen.
Das Mädchen war kaum mehr als ein Knochengestell, die Haut spannte sich wie Leder über ihre Wangen, sie war leichenblass, aber sie lebte. Und ihre Augen... Ihre Augen waren verschwunden. Einfach nicht mehr da. .... und sie lächelte.

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